Das Fürstmagistrat Kranichfeld

 

Ein eisiger, kalter Wind fegt durch die Schluchten. Der volle Mond zeigt sich gelegentlich durch die vorbeitreibenden Wolkenfetzen. Irgendwo in der Ferne hört man einen Wolf heulen... Die schäbige Kutsche rattert den schmalen Paß entlang, als würde sie von finsteren Mächten verfolgt. In den engen Kurven neigt sich das Gefährt gefährlich nah dem Abgrund zu. Der Kutscher treibt mit der Peitsche die Pferde zu immer mehr Eile an. Hinter ihm zieht Nebel auf... Am Wegesrand erscheinen die Lichter einer Herberge. Mit einem schrecklichen Quietschen pendelt das alte Tavernenschild im Sturm. Es zeigt einen weißen Hirschkopf, den Hals von Fängen zerrissen und blutig... Der Kutscher und seine drei Gäste stampfen in den Wirtsraum. Das Geplauder verstummt und ausdruckslos starrende Augenpaare wenden sich den Eindringlingen zu. "Die Schergen der Finsternis verfolgen uns!" stammelt der aufgeregte Fahrgast. "Wir haben glühende Augen im Wald gesehen und schreckliches Keuchen vernommen!" "Tja, das wird dann wohl der Müllersjunge sein. Ich dachte, der wäre schon weitergezogen. Wollt Ihr was trinken?" sagt der Wirt und poliert weiter seine Humpen. Und so nimmt ein weiterer, ganz normaler Abend in Kranichfeld seinen Lauf...

 

Willkommen in Kranichfeld ! Ein Reisebrevier der Silbermond-Gilde
Kranichfeld, die idyllische Landschaft zwischen Thaskar, Beilstein und Rabenstein. In diesem Land wird der aufmerksame Reisende eine Fülle an Eindrücken gewinnen können. Vor allem die interessanten Steilhänge, die tiefen, romantischen Schluchten und die seltene Flora und Fauna dieses kleinen Reiches machen Kranichfeld zu einem sehenswerten Ort. Es gibt drei einfache Möglichkeiten, Kranichfeld zu bereisen:
Von Norden aus Beilstein übertritt man die Grenze durch die Baronie Sombor. Direkt an der Zollschranke findet sich einer der größeren Marktflecken Kranichfelds, Au. Hier ist einer der flachesten Landschaften des Landes zu besehen und hier befindet sich auch der Großteil der Landwirtschaft des Reiches. An den verhältnismäßig flachen Hängen der Hügel um Au werden robuste Dinkelarten angebaut und Milchvieh gehalten. Das Galgenweg-Rind ist eine typische Kranichfelder Rasse, typisch sein wolliges Fell und das Fehlen von Hörnern. Folgt man dem Breiten Weg nach Süden, begibt man sich direkt auf das Kranichfelder Massiv und die Hauptstadt zu. Nach einem langen Tagesritt trifft man auf einen weiteren Flecken, Rast.

Von Osten aus Rabenstein oder der Beilsteinischen Baronie Dunkelbrunn findet man sich zuerst in der Grenzfeste Hain wieder. Der Name mag etwas irreführend sein, denn es findet sich natürlich auf dem felsigen Boden des Fürstmagistrates kein blühender Landstrich, aber immerhin finden sich hier die knorrigen Apfel- und andere Obstbäume an den weniger steilen Hängen. Hier ist der sonst stetig schneidende Wind milder. Aus dem Obst wird vielerlei gemacht: Kompotte, köstliche Kuchen und Trockenobst für die langen Winter. Das Kostbarste aber ist sicherlich der sehr starke Apfelschnaps Appelhannes, der sich in ganz Kranichfeld großer Beliebtheit erfreut und in jeder Familie ein bißchen anders gemacht wird. Nach einer bequemen Tagesreise erreicht man Rast, wo sich unser Weg mit dem aus Norden vereinen soll, denn trifft hier auch der Schmale Weg aus Rabenstein auf das Dorf. Hier in Rast ist die letzte Gelegenheit, sich für den beschwerlichen Weg die Große Serpentine hinauf vorzubereiten. Denn von nun an muß man einige steile Meilen auf den Paßwegen durch das Massiv des Kronenbourger Kraters zurücklegen. Es braucht schon gut trainierte Pferde und Ochsen, um in einem Gefährt diesen Weg zurückzulegen. In Rast hat man aber genügend Gelegenheit, sich um einen Transport und erfahrene Führer zu kümmern - denn ohne Ortskundigen sollte sich niemand auf den Weg nach Kranichfels machen! Die Wege der Großen Serpentine sind tückisch, und oft trennt nur eine Handbreit Weg den Reisenden vom Fall in den sicheren Tod...

Entlang der Großen Serpentine nach Kranichfels finden sich drei kleine Dörfer gerade in richtigem Abstand, daß man sie während einer kurzen Tagesreise erreichen kann. Denn nachts würde sich niemals ein Kranichfelder auf den Weg durch die Berge machen. Zu viele Gefahren, Wölfe und unheimliche Tiere lauern in den Hängen und Schluchten des Gebirges. Das erste dieser kleinen Dörfer ist Hang, im Volksmund so benannt, weil es sich angeblich noch nicht richtig im Gebirge befindet und man von den kleinen Fenstern der verträumten Herberge noch das Hügelland vor dem Massiv sehen kann. Tatsächlich befindet es sich schon auf einigen hundert Metern Höhe. Das zweite der Dörflein ist Stein. Ganz aus grauem Fels gebaut sind die kleinen Häuser der paar Familien, die hier ein Einkommen als Bergbauern und als Schieferbrecher finden. Hier befindet sich als Besonderheit die Kapelle der Prophetin Brigid, einer der Prophetinnen der Religion der Einzigen und Ersten, die aus dem Königreich Beilstein Einzug in Kranichfeld gefunden hat. In ihr ist die Schwarze Brigid zu bewundern, eine Statue der Prophetin ganz aus schwarzem Stein gehauen. Ein kleiner Kunstschatz, den man nicht versäumen sollte. Das letzte der Dörfer vor der Hauptstadt ist Klamm, benannt nach der romantischen Steilschlucht, die sich ein reißender Bergfluß durch den Fels gegraben hat - an einigen Stellen mehrere hundert Meter tief! In Klamm schmiegen sich die Häuser eng an den steilen Fels, einige sind gar in ihn hinein geschlagen. Die Kaltach, der Gebirgsfluß, der diese Klamm gebildet hat, ist hier oben so kalt, daß in ihm ganzjährig Eiskristalle schwimmen.
Von Westen aus Thaskar kann man Kranichfeld und dessen Hauptstadt Kranichfels nur über den sehr schmalen Kammweg erreichen. Er verläuft immer den Bergkamm entlang von der Grenzfeste Kluft nach Kranichfels. Dieser Weg ist freilich sehr selten benutzt worden und die Feste Kluft und das anliegende Dorf sind etwas abgelegen. Hier erhalten sich die alten Bräuche noch mehr als in der Hauptstadt. Der Kammweg ist sehr mühsam und es braucht mit einem Ortskundigen schon vier Tagesreisen entlang der steinigen Hänge. Da die Gegend nicht gänzlich gesichert ist, empfiehlt die Gilde keine Anreise aus dieser Richtung...

 

Über der Feste Kluft geht der Mond auf und bescheint das immer gleiche Bild des Schreckens: Dutzende dahingeschlachtete Körper, ihre geschundenen Leichname bis auf den letzten Tropfen Blutes ausgesaugt. Im Burghof das Schlurfen der seelenlosen Sklaven des neuen Burgherren, dem alten Fürsten von Kranichfeld, Antoine le Noir, schrecklichster der Vampirfürsten des Westens. Der Untote übersieht vom Turm der Burg aus den Klammweg nach Osten, zum Graufels hin. Über die Zelte und Wehranlagen der Kleriker, die die Feste in einen immerwährenden Gesang einhüllen und die Luft mit schwerem Weihrauch schwängern, verflucht er seinen ärgsten Gegner, den Erzkanzler.

"Warte nur ab, Du jämmerlicher Zauberer. Der letzte Kampf mag Dein Sieg gewesen sein. Aber ich habe wohl gemerkt, wie sehr Dich unser Duell geschwächt hat. Nicht mehr lang, und ich errichete meine Herrschaft über Kranichfeld neu - und dann wehe denen, die sich Deine Freunde und Gefolgsleute nannten!"

 

Von Süden ist eine Anreise nicht möglich. In den unwirtlichen Hängen des Kratergebirges finden sich in der Nähe der Hauptstadt nur noch einige wenige Niederlassungen einzelner Familien - dann wird selbst den Ziegen das Gefels zu steil und eine menschenleere Einöde beherrscht den Süden der Grafschaft. Die Grenzen sind hier auch nicht geklärt, sondern nur angenommen, aber niemand interessiert sich auch wirklich dafür.
Kranichfels, die Hauptstadt des Magistrates Kranichfeld ist die einzige Stadt des Magistrates, und auch sie beheimatet nur wenige Dutzend Familien. Sehr weit oben gelegen überschattet der Herrschersitz auf dem Kranichfels das Städtchen und scheint das lange, dunkle Erbe des Reiches ins Gedächtnis zu rufen. Heute sind das freilich nur noch Erinnerungen... In den Herbergen der Hauptstadt kann der Reisende leicht Unterkunft finden und sich an der zünftigen Küche Kranichfelds erfreuen. Die Gastfreundschaft der Kranichfelder ist sprichwörtlich - niemals würden sie einem bedürftigen Reisendem eine Schlafstatt abschlagen oder ihn des Nachts auf den Weg schicken! Einige Handwerksbetriebe bieten interessante Waren an. In naher Zukunft werden auch immer mehr spezialisierte Betriebe Handwerkskunst zur arkanen Anwendung anbieten - eine Initiative der Gilde, um die schwächelnde Wirtschaft des Landes zu unterstützen. Noch über dem alten Herrschaftssitz ragt der Graufels empor - Heimstatt des neuen Gildenzentrums der Gilde und ein Bauwerk von mittelländischem Rang! Hier reichen sich momentan noch fähige Architekten und Künstler die Hand, um eine der Gilde entsprechende Niederlassung entstehen zu lassen.
Die Gilde, das Reich
Seit Kranichfeld der Regierungsgewalt der Silbermondgilde der Magier unterstellt wurde, haben Aufklärung und Neuerung Einzug in den verlassenen Landstrich gehalten. Die Gilde erneuert die Handelsstruktur des Reiches, errichtet einige Schulen und Spitäler und sorgt mit unendlichen Bemühungen für eine Sicherung der Zukunft. Durch die Jahrzehnte der Tyrannei sind die Bewohner Kranichfelds zu abergläubischen Einsiedlern geworden. Mit der Hilfe der Gildenbrüder werden sie sich von diesem Erbe befreien und Kranichfeld in eine sonnigere Zukunft leiten!

 

In der kleinen Hütte drängen sich die ängstlichen Kinder an die besorgte Mutter. "Keine Angst, ich gebe Euch nicht her, meine kleinen Schätze! Die Langröcke sollen Euch nicht bekommen mit ihren Expirimenenten und ihren bösen Zaubern!" Draußen klopft eine leicht verärgerte Gestalt an das winzige Fenster. "Hallo, Frau Schütz! Ich weiß, daß Sie da sind! Ich habe sie ins Haus laufen sehen! Hören Sie, gute Frau, wir wollen Ihre Kinder nicht entführen, wir wollen Sie unterrichten. Lesen, Schreiben, wissen Sie? Also, wenn Sie nicht sofort aufmachen, dann..." Die erstickten Angstschreie aus dem inneren der winzigen Behausung lassen den jungen Gildenmann zusammenzucken - so hatte er sich die Lehrarbeit in der Gilde nicht vorgestellt...

 

Gegeben 1001 MZ, 768 nG. ; Die Gildenverwaltung