Die Chroniken der Magierkriege 231-233 MZ
Zusammengetragen im Auftrag seiner Magnifizenz des Erzkanzlers Ambrosius Graufuchs
Dem Franconischen Volke zum Geschenk
Kommentar:
Die Zeit der Magierkriege ist einer der dunkelsten Abschnitte der franconischen Geschichte. Angesichts der verheerenden Auswirkungen auf das fränkische Volk ist nicht verwunderlich, das eine deckende historische Beobachtung der Jahre 231-233 MZ fehlt. Nur wenige verläßliche Dokumente existieren, davon einige in den Kirchenarchiven der Einzigen und Ersten. Diese belegen die Angaben im folgenden Dokument bezüglich ihrer Auswirkungen auf die breite Bevölkerung.
Dies und andere allgemeine Hinweise ergeben eine sinnvolle Teilung des Zeitabschnitts in den sogenannten ersten und zweiten Krieg. Der Erste Krieg dehnte sich vom späten Herbst 231 bis ins Frühjahr 232 aus, der zweite Krieg begann kurz vor Jahreswechsel und endete im Hochsommer 233. Belegte Daten sind hierbei der Friedensschluß im März 232, die Katastrophe im Winter 232/233 und der Untergang des Turmes im Bärensee 233, der das Ende der Magierkriege im Volksgedächtnis markiert.
Was genau in den Türmen der Magier geschehen ist, vermag wohl niemals genau rekonstruiert zu werden - daher sind die privaten Aufzeichnungen des sterbenden Magus Theoderich Mergenthal die einzigen Hinweise, welche die Nachwelt auf die Geschehnisse dieser zwei dunklen Jahre hat. Bemerkungen Mergenthals über verschiedene Rituale und Zauber belegen, das die Magi zu dieser Zeit mit einer wesentlich größeren Selbstverständlichkeit mit gigantischen Mengen magischer Energie umgegangen sind. Zu jener Zeit war die akademische Wissenschaft des Arkanen nicht annähernd so fortgeschritten und Begriffe wie Fluxpollution und Gleichgewicht der prima materia unbekannt. Viele Rituale existieren nicht mehr als Konzeptfolio und diejenigen, welche noch aufgezeichnet sind, sind allesamt unter Bann gestellt.
Ein wichtiger Punkt zum Verständnis der Aufzeichnungen Mergenthals ist sicherlich, daß es im Franken der Jahre 231-233 üblich war, Gruppen von Studierenden zu bilden, die sich mit der magischen Kunst befaßten. Ein Student der magischen Künste hatte wenig Aussicht, erfolgreiche Studien zu betreiben, wenn er sich nicht einer solchen Gruppe anzuschließen bereit war. Diese Gruppen, selten größer als 6-7 Personen, nannte man Familien oder Häuser. Sie trugen den Namen des Patrons, der als Lehrmeister dem Hause vorstand. Oftmals verblieben auch seine leiblichen Nachkommen, falls er welche hatte, in diesem Haus. Im Jahre 231 MZ hielt diese Regelung schon einige Zeit an, so daß es üblich war, Mitglieder einzelner Familien vorausplanend miteinander zu vermählen.
Obschon man sagen kann, daß die einzelnen Familien sich mit unterschiedlichen Gebieten der arkanen Künste befaßten, ist es heute schwierig, sie bestimmten Fachgebieten zuzuordnen. Ebenso unmöglich ist es, den Familien einen wertenden Stempel aufzuprägen, denn obgleich es sicherlich Hinweise darauf gibt, daß einige bekennende Anhänger der Finsternis oder des Lichts waren, sind die von den Familien in der Endphase der Kriege ausgesprochenen Zauber so schrecklich, daß von gut oder böse auf keiner Seite mehr die Rede sein kann.
Angesichts der weitreichenden Zerstörung, die die Magierkriege anrichteten, ist es nicht verwunderlich, daß der Großteil der befehdeten Familien die Kriege nicht überstanden hat. Obgleich es noch Träger einzelner Namen gibt, haben die Magierkriege den großen Einfluß der beteiligten Familien auf das gesellschaftliche Leben beendet - bis auf bekannte Ausnahmen.
Abriß der Familien
Meinertzhagen
Das alte Adelsgeschlecht Meinertzhagen war im ersten Drittel des Jahrtausends ebenso für ihre arkane Kunstfertigkeit berühmt wie für ihren politischen Einfluß. In den Türmen nördlich von Ehrenbreitstein saß der arkane Zweig des Hauses und beherrschte weite Teile des Nordens. Mit dem Ende der Magierkriege ging die arkane Bedeutung der Meinertzhagen verloren und allein Ansprüche auf Adelstitel hielten sie in der Geschichtsschreibung weiter fest.
Mergenthal
In Gratenfels saß die Familie Mergenthal in Türmen hoch über dem ländlichen Geschehen des Reiches. Ihre Bemühungen um Neutralität in den Kriegen waren vergebens, denn im zweiten Krieg mußten sie schließlich Farbe bekennen - was zu ihrer Auslöschung führte. Dennoch überlebten einige Mergenthals und der Name lebt in der arkanen Gemeinschaft weiter.
Rothenfang
In den Hainen um Eichenau beherrschte das Haus Rothenfang das arkane Geschehen. In den massiven Türmen im flachen Land bestimmten sie den Verlauf des ersten Krieges maßgeblich. Familie Rothenfang wurde im zweiten Krieg komplett vernichtet, in Eich wird man keine Ruine finden, die von der Familie Zeugnis ablegen könnte.
Letztenhieb
Das Haus Letztenhieb ist mit einiger Sicherheit das berühmteste Haus dieser Ära. Ihr grotesker Turm stand im Bärensee, der heute Kaltensee heißt - der Legende nach, weil ihr Turm die Wasser des Sees ob ihrer Bosheit in eisige Kälte tauchte. Die Letztenhiebs waren offene Anhänger der finsteren Mächte und ihre Vernichtung, die im Sinken des Turms ihren Höhepunkt fand, wurde in der überlebenden Bevölkerung mit großer Erleichterung aufgenommen.
Graufuchs
Die Familie Graufuchs erhielt diesen Namen erst während der Magierkriege. Über ihre Herkunft ist wenig belegt, obgleich es Hinweise auf eine arkane Vorherrschaft im Osten gibt, der weit über die mittelländische Zeitrechnung hinaus geht. Der Name der Familie vor der Umbenennung Grisbarts des Grauen in Graufuchs liegt im Dunkeln. Dieses Haus überlebte die Magierkriege schwer angeschlagen, hat sich aber einen respektablen Platz in der arkanen Gemeinschaft erhalten können.
Hammerstein
Das Haus Hammerstein, dessen Türme sich um Leuenstein ordneten, erlitt schon im ersten Krieg empfindliche Verluste und sollte sich davon niemals erholen. Einige der Ruinen stehen heute noch oder wurden wieder aufgebaut und umfunktioniert. Nur wenige Hammersteins existieren heute noch und finden ihre Wurzeln meist jenseits von Franconia.
Benden
Die Akademie zu Benden, schon vor den Magierkriegen exklusiv und zurückgezogen, vermochte sich ihren einzelnen Standort zu bewahren, bezahlte diese Standhaftigkeit aber mit herben Einbußen. Die damals dort tätigen Elfen und Halbelfen erreichten zumindest, das die Landstriche um den Nebelwald weitestgehend verschont blieben und die wehrlosen Niederlassungen von Halblingen nur geringe Verluste zu beklagen hatten.
Die Aufzeichnungen Theoderich Mergenthals
Faksimile des Originals aus Gratenfels
Dritter Tag des Nebelung 31 nG
Mir scheint, die Spannungen zwischen den Familien breitet sich ärger als denn je. Die Hochzeit der jungen Rothenfang mit dem Erben Hammerstein wurde zum dritten Male schon verschoben und Anzeichen häufen sich, daß die Hammersteins nun endgültig ausschlagen wollen. Mir dünkt, sie haben die Warnungen der Elben nun doch zu Herzen genommen – ein weiser Entschluß mag das sein, ein zeitiger sicher nicht.
Fünfzehnter Tag des Nebelung 31 nG
Nun ist es passiert! Die Ausladungen zu der Hochzeit wurden ausgesprochen – von den Rothenfangs! Das lange Zögern der Bräutigamsfamilie scheinet den Eichenauern unerträglich geworden zu sein. Meinertzhagen ist mit mir der Meinung, daß uns unsichere Zeiten bevorstehen, wenn die Rothenfangs Rache schwören. Denn das sie arge Gegner in einer Fehde seien, ist offenbar. Gerüchte gehen, daß Braut und Bräutigam geflohen sind – als täte die Liebe wohl eine Rolle spielen! Kinder...
Zweiter Tag des Julmondes 31 nG
Katastrophe! Nach dem Verschwinden der Rothenfang-Tochter gibt es Streit zwischen den Hammersteins und der Brautfamilie – damit sind alle Bemühungen und Ruhe im Westen zerschlagen. Ein Hof bei Luhenburg ist von der Pest befallen. Ich mag das nicht als Zufall verstehen, dazu kenne ich die alte Rothenfang zu gut. Die Meinertzhagener rasseln schon mit den Säbeln. Es ist eine große Dummheit, sich in die Hohzeitstreiterei einzumischen, sage ich. Bald ist Sonnwendtag, da wird schon einiges gerufen werden.
Dreiundzwanzigster Tag des Julmondes, zwei nach Sonnwend 32 nG
Krieg! Alle Hoffnung auf ein friedliches Sonnwendtreffen der Häuser war vergebens. Der alte Hammerstein hat nicht sagen wollen, wo sein Sohn und die Rothenfang seien, so haben die Brauteltern die Fehde ausgesprochen. Meinertzhagen hat gleich den Leuensteinern Unterstützung angeboten – jedem mag klar sein, das er sich Eich verspricht, wenn die Rothenfangs untergehen. Ich sehe da weniger klar. Die Elben aus Benden sind gleich zurück nach Zweiwalden entfleucht, als Unfrieden aufkam. Die schrecklichen Letzenhiebs haben sich am Ende zu den Rothenfangs gestellt. Kein Wunder, möchte ich meinen. Die Zweigratener haben sich herausgehalten, wie wir auch. Das soll kein Streit im ganzen Land werden. Nur gut, daß nichts in unserem Land sei, was den Kombatanten gehöre, hat mir der Graue Fuchs noch zugeraunt und feist gelächelt. Ganz geheuer mag der mir nicht sein.
Erster Tag des Hartung 32 nG, Neujahr
Die ersten schrecklichen Berichte des Krieges treffen hier ein. Die Pest breitet sich im Leuensteiner Land aus, allein die Stadt scheint noch verschont. Die Weißsiegler tun ihr Bestes, wird erzählt, aber irdischen Ursprungs ist das Leiden nicht. Das sich die Krankheit so schnell verbreitet, ist mir Zeichen, das die Rothenfangs schon länger an der Hohzeit zweifelten und Rache bereiteten. Die Hammersteins sind in drei Türmen zu Werke und bald wird der Westen brennen, wie ich fürchte...
Vierter Tag des Hartung 32 nG
So ist es wahr geworden, was ich dachte. Die Hammersteins zeugen mit flammendem Zorn vom Krieg. Allein mag ich nicht glauben, welches Unmaß ihr Schauer war. Fünf Rittereien in Ehrenfeld sind in Asche, berichtet Meinertzhagen mir. Seine Jüngeren sind seit Tagen schon zu Werke und wohl an die dreißige Erdritter stehen schon vor Ehrbreitenstein. Er muß sich große Hoffnungen auf Eich machen, wenn er solche Kraft investiert, denn zur Schildwehr allein will eine solche Schar nicht aufgestellt sein. Die Grauen in Zweigraten weben mächtige Nebel, ebenso wie die Elben in Benden. Glücklich das Volk, das unter diesen Nebeln nichts mehr sieht, denn es muß den Schrecken nicht sehen, der die Nachbarn erfaßt. Hier in den Bergen erzählen sich die Bauern schon schaurige Geschichten. Das Traurige ist, daß sie wohl wahr sind. Von den Letzenhiebs hat man noch nichts erzählt, die Grauen schrieben aber, es sei aus den Türmen nichts zu vermelden. Ich muß ihnen da wohl glauben, denn selber hingehn mag ich nicht.
Siebenter Tag des Hartung 32 nG
Unglaubliches dringt da an mein Ohr! Durch das Land der Hammersteins und der Rothenfangs kann man nicht mehr schreiten, wenn einem das Leben lieb ist. Von den Bendenern kann man so durch Boten nichts mehr hören und alle magischen Wege, sie zu kontaktieren, schlugen fehl – mächtige Zauber liegen mittlerweile über ihrem Wald. Aber mit den Grauen stehen wir noch in Kontakt. Und welche erschütternde Kunde dringt da an unser Ohr! Die beiden Brautleute flohen nach Hohenstein zu den Grauen und verstecken sich dort vor dem Zorn ihrer Familien! Kein Wunder, das der Graue Fuchs so feixte, als er das Sonnwendtreffen verließ. Ein teures, teures Pfand hält er nun in seinen Türmen, denn keiner der Familien wird sich den Seinen nähern, solange sie dort Zuflucht finden. Dennoch umwehen schreckliche Winde die größeren seiner Türme und manches Volk starb zuckend in den Fallen der Grauen.
Letzter Tag des Hartung 32 nG
Überall tobt mittlerweile der Krieg. Die Mannen des Herzogs zogen vor zwei Wochen schon nach Eich, um den Plagenfürsten der Rothenfangs Einhalt zu gebieten. Heute erreichte mich nun die Kunde, daß sie geschlagen sind. Ein Gutteil gelangte nie zu den rothenfängischen Türmen, Gerüchte gehen, das ein reichlich Drittel den Pestgürtel nicht zu durchqueren vermochte und Leuensteiner Land nicht verließ, ein Viertel versank in stinkendem Morast, der sich plötzlich auftat – ohne Zweifel ein Werk der Letzenhiebs, das Gesindel ist gut Freund mit den Kräften der Fäulnis. Meinertzhagen hat wohl zwanzig seiner Streiter schon verloren – unermüdlich schreiten diese von Norden gegen Eich. Obgleich ihnen die Pest nichts anzuhaben vermag, fallen sie dennoch gegen die Rothenfangs. Ich weiß nicht, ob es ein Übel der Letzenhiebs ist, welches sie zerstört, oder ob sich die Rothenfangs auch mit den Mächten der Erde verbündet haben, so wie Meinertzhagen.
Vierter Tag des Hornung 32 nG
Habe mich mit Meinertzhagen in Falben getroffen. Nun ist klar, warum die Erdritter Meinertzhagens fallen, wenn auch die Erklärung einer schrecklichen Wahrheit zeugt. Eich gefriert. Wie Glas sind schon einige Dörfer, die Menschen in den Häusern erstarrt schon vor Jahreswechsel. Zwei der Söhne Meinertzhagens haben die Kunde mit ihrem Leben bezahlt. Die Feuerschauer, die Hammersteins Türme gen Eich entsenden, sind so einfalls- wie wirkungslos. Wie die Rothenfangs selbst das überstehen können, ist mir die wichtigste Frage. In einigen Landstrichen, besonders in Ehrenfeld, ist es nur ein harscher Frost, nach Norden hin kann man nicht mehr atmen, weil die Luft erstarrt ist. Die Erdritter Meinertzhagens bersten, wenn sie in diese Lande kommen, wie Scherben. Alles Volk, was noch fliehen konnte, ist nach Zweiwalden oder nach Osten geflohen – im Osten erwartet sie die Pest oder die stinkende Fäulnis der Letzenhiebs. Mir dünkt, die Pest war von Beginn an Tribut der Bärenseer an die Eichenauer, und die alte Rothenfang hat andere Dinge vorbereitet. Dann wäre die gesamte Rache wegen der Hohzeit von den beiden Familien bereits ausgemacht gewesen, bevor die Hammersteins erst absagten. Warum nur? Das weiß auch Meinertzhagen nicht, der alles daran setzt, die Rothenfangs zu vernichten, wenn nicht mehr wegen Eich, so nun wegen seiner Kinder.
Dreizehnter Tag des Hornung 32 nG
Aus Güldenhain kommt keine Kunde mehr. Die Grauen sind eingewebt in unvorstellbare Zauber. Es geht das Wort, das in den Hängen vor Hohenfels eine Nacht wie hundert Jahre zählt. Wenn der Graue das geschafft hat, gebührt ihm meine Hochachtung. Welchen Preis er dafür bezahlen mußte, will kein gesunder Geist wissen. In Zweigraten bieten sich Letzenhieb und der Graue Fuchs die Stirne. Die Fäulnis aus Bärenfels will auf dem Stein nicht wurzeln, berichten meine Späher und die Plagenfürsten des Hauses werden unermüdlich angegriffen von einem seltsamen Ratzenvolk, das aus Spalten und Höhlen strömt und ganz das Werk der Güldenhainer tut. Hier wird Feuer mit Feuer bekämpft, so scheint mir. Einige aus Gratenfels sind nach Eisenstein geflohen und vertrauen sich unserer Obhut an. Ich bin froh, das viele der Rolandsbrüder aus Leuenstein hierher gekommen sind, denn gegen ihren Weihrauch und ihre Gebete mag keine der dunklen Mächte in Zweigraten einstehen, wie es scheint. Meinertzhagen ist weiterhin wahnsinnig vor Wut und Trauer und hat sich in den Norden von Weidenau zurückgezogen, augenscheinlich, um ein großes Ritual vorzubereiten. Eich und auch fast ganz Ehrenfeld sind Eiswüste. Nichts lebt dort. Vor den Toren Luhenburgs türmen sich Eisschollen und Leuenstein droht im Morast zu versinken, denn der Fluß ergießt sich in die Felder, weil sein weiterer Verlauf starr gefroren ist.
Vierundzwanzigster Tag des Hornung 32 nG
In Weidenau, Eisenstein und Falben drohen Krankheit und Tod. Alles Korn ist lange verteilt und das Land trägt inzwischen alle Flüchtlinge aus Leuenstein, Eich, Ehrenfelde und Bärenfels. In Zweiwalden kann es kaum anders gehen, dorthin ist das südliche Ehrenfeld und Leuenstein geflohen. Dieselbe Stadt versinkt im Schlamm. Mir dünkt, das alles war ein gehegter Plan der Rothenfangs und Letztenhiebs. Die Pest brach in Leuenstein aus, der Morast breitet sich dortselbst aus und alles Übel kommt wohl aus dem Bärensee. Und vor Ehrenfeld hilft die Eiswand dem Sumpf, sich auszubreiten – ganz im Sinne der beiden, wenn es gegen Hammerstein geht, der sich in der Zange von Kälte und Pestilenz widerfindet . Von Hammerstein hat man schon länger nichts gehört. Keine Meteorenhagel gehen mehr auf Eich nieder. Entweder bereitet das Haus einen großen Schlag vor – oder es ist bereits vernichtet.
Zehnter Tag des Lenzing 32 nG
Hammerstein ist tot. Das letzte Ritual der Familie ist mißglückt, man hat die weiße Glut bis Gratenfels gesehen. Offenbar wollten sie eine gewaltige Purgation vornehmen und sind am erstickenden Schleim der Letzenhiebs gescheitert. Im südlichen Eisenstein finden sich zunehmend Mutationen schrecklichster Art. Das Übel aus Düsterfeld breitet sich aus. Der Hunger und die Kälte tun ihr übriges. Die Weißsiegler sind zuletzt aus Leuenstein geflohen, dort lebt niemand mehr. Die Nebel um Benden halten noch, schrumpfen aber bedrohlich. Zweiwalden ist nun auch bedroht.
Fünzehnter Tag des Lenzing 32 nG
Meinertzhagen ist zurückgekehrt! Und wie großartig hat er sich erneut in das Messen eingesellt! Und keinen Tag zu früh, wie man meinen möchte. Gewaltige Riesen aus Feuer und Eisen erhoben sich aus den Sümpfen nördlich Ehrenbreitsteins und schreiten stetig gegen das Eis. Ihren gewaltigen Feuerhieben kann der Frost nicht widerstehen, sodaß Eich schon zum Viertel befreit ist. Noch einige Tage, und Eichenau selbst wird bedroht.
Die Kunde ist wohl auch an das faulige Ohr der Letzenhiebs gelangt, denn die Attacken auf Zweigraten und Eisenstein sind deutlich schwächer geworden. Morgen will ich einen Boten nach Güldenhain entsenden, um zu sehen, wie die Dinge dort stehen.
Neunzehnter Tag des Lenzing 32 nG
Der Bote hat Hohenfels nicht erreicht oder den Rückweg nicht überstanden. Dennoch frohe Kunde: Meinertzhagen hat sich bei uns gemeldet und erklärt, ganz Eich und Eisenstein seien frei von den Werken der Widersacher, Leuenstein sei noch vergiftet, aber friedlich und Ehrenfeld erhole sich auch zusehends vom Eise.
Einer der Letztenhiebs ist unter weißer Flagge gen Ehrenbreitstein unterwegs. Ich hoffe nur, das Meinertzhagen nunmehr keine Dummheiten versucht.
Zwanzigster Tag des Lenzing 32 nG
Frieden! Wie eine weiße Made muß der Unterhändler der Letzenhiebs zu Füßen Meinertzhagens gekrochen sein. Seltsam mag anmuten, daß er fast mehr für die Rothenfangs bettelte, denn gegen Bärenfels zog der Freusburger ja nicht. Nun, endlich wichtig ist, daß der Eichenauer aufgibt und seine eisige Umklammerung löst. Zweiwalden, hört man, ist fast unberührt geblieben und in Weidenau, Falben, Eisenstein und Zweigraten lebt ein Gutteil der Leute. Von Düsterfeld und Güldenhain ist noch nichts zu hören. In Leuenstein freilich sieht es schlecht aus. Die Luhenburg ist fast zerstört, Leuenstein droht noch im Morast zu versinken. Die Letzenhiebs wollen Aufbau leisten, zum Preis, daß Meinertzhagen ihnen keine Türme nimmt. Seltsam sag ich erneut, den von den Bärenfelslern ist kein Turm bedroht. Eich und Ehrenfeld müssen sehr gelitten haben, in diesem Jahr wird dort wohl kaum ein Feld tragen und alle Bäume hat der Frost genommen. Meinertzhagen wird sicherlich ein Großteil von Eich als Tribut einfordern, wenn er an der Wüste noch Interesse hat. Er sprach zumindest von einem angemessenen Handel, wer weiß schon, was er da meint.
Zweiundzwanzigster Tag des Lenzing 32 nG
Güldenhain schickt Nachricht. Der Graue Fuchs meint, seine südlichen Türme hätten sehr gelitten, aber in Zweigraten und somit in Hohenfels wäre alles beim Alten. Von den Ratzen in den Felspalten hat er nichts geschrieben, auch von seinen Zaubern schwieg er. Der Verlust von drei oder vier kleineren Türmen in Güldenhain an die Letzenhiebs sei ein anständiger Verlust gewesen und es seien ihm durchaus interessante Fänge gelungen – was er da wohl meint? Der junge Hammerstein und die Rothenfang sind noch in Hohenfels in Obhut und werden sobald nicht von dannen ziehen, schreibt er.
Dritter Tag des Wetterich 32 nG
Alle Feuer sind gelöscht, die Flüchtlinge kehren langsam, manchmal unwillig in ihre Gemarkungen zurück. Die wenigen Ritter versuchen, Ordnung zu bringen, aber die Pest von Leuenstein und die anderen Zeichen ihrer Ohnmacht haben sie mürbe gemacht. Es scheint, als würden die hohen Herren ihre Grenzen erkennen – nicht so übel, wenngleich mit einem hohen Preis bezahlt. Mir liegt etwas an unserem Land und unserem Volke, so mag ich nicht gerne sehn, mit welchen Schrecken ein kleiner Streit von uns geklärt wird. Manchmal denke ich, wir Wissenden in unseren Türmen spielen mit den Bauern wie auf einem Feld des Königsspiels, und nicht besser oder schlechter als die eitlen Mannen des Adels. Meinertzhagen und Graufuchs wollen sich vor Beltane bei mir einfinden, um den Frieden nochmals zu besprechen. Mir gefällt das Ränkespiel nicht, aber spielen muß ich doch...
Siebenzehnter Tag des Wetterich 32 nG
Kunde von Hammerstein: Alle Türme bis auf zwei bei Luhenburg sind hin. Es leben noch drei Kundige und ein paar Helfer (mir dünkt, vom jungen Hammerstein in Hohenfels, wissen sie nichts.) . Die meisten hat Letzenhieb genommen, davon ist ein besserer Teil aber vollkommen nutzlos, weil er halb im Sumpfe steht. Leuenstein krankt weiterhin schrecklich und die Weißsiegler, die aus Eisenstein und Falben zurückgeeilt sind, finden sich einer wahrhaft herringefälligen Aufgabe gegenüber, will man meinen.
Achtundzwanzigster Tag des Wetterich 32 nG
Seit zwei Tagen weilen Meinertzhagen und der Graufuchs im großen Turm. Sie sprechen viel von Gemeinsamkeiten und Alliantzen, mir dünkt, der Frieden ist auf unsicherem Boden gebaut, wenn so gesprochen wird. Der Güldenhainer (man müßte ja eigentlich nunmehr Zweigratener sagen, in Güldenhain hat er ja nicht mehr viel) hat sicher Angst vor dem Übel vom Bärensee, und verdenken tu ich es ihm nicht. Dem Meinertzhagen ist der "Sieg" zu Kopfe gewachsen, er will den Rothenfangs wohl aus Eich helfen. Vermessen ist er! Kaum leidet sein treues Ehrenbreitstein nicht mehr viel, will er Taktiker werden! Ich habe entschieden gegen solche Händel protestiert. Meinertzhagen brüllt, der Fuchs hingegen ängstigt mich mehr mit seinem stillen Lächeln...
Dreißigster Tag des Wetterich 32 nG, einer vor Beltane
Kurz vor dem Treffen mit den anderen Häusern will Ruhe in mein Gemüt einkehren. Die zwei Gäste haben von ihrem Ränkespiel genug und lassen meiner. Graufuchs will zum Treffen den Hammersteins die Kunde vom Leben ihres Erben bringen. Verschwiegen wird er wohl sein, hoffe ich.
Erster Tag des Wonnemonds 32 nG, Beltane
Unter dem Beltanefrieden trafen sich heute alle Häuser: Meinertzhagen als der große Sieger, für den er sich nur selber halten will, wir und die Elben aus Benden als Neutrale, die Graufüchse (so will sie nun jedermann nennen), die nicht so neutral sind, wie es den Anschein hat, die Letzenhiebs als merkwürdige Schmeichler, die nichts verloren haben und dennoch die weiße Flagge zu schwenken nicht müde werden, die Rothenfangs als gestutzte Paraderösser und die Hammersteins als kläglicher Rest einstiger Größe. Den Erben ihres Hauses hat man nicht gesehen, und die Trauermienen zeigten mir an, daß die Zweigratener die Kunde noch nicht gebracht haben. Der Frieden ist gemacht, Rothenfang hat seine Rache und Hammerstein wird seinen Erben haben. Als Fazit bleibt: wenn die Großen sich streiten, leiden die Kleinen.
Fünfzehnter Tag des Wonnemonds 32 nG
Große Freude bei den Hammersteins: der Erbe ist zurück nach Luhenburg gekehrt und keine Rede mehr von trotzigen Plänen einer verbotenen Hochzeit. Die Rothenfang weilt weiter noch in Hohenfels, berichtet Graufuchs mir. Außerdem hat er von seinem zarten Pfand so manches interessante Geheimnis erfahren: Die Rothenfangs erstarrten nicht in Eichens Eiseskälte, weil kein Leben in ihnen ist, was frieren mag! Zumindest zum Teil hat sich in Eichenau und in Ehrenfelds Türmen vampyrische Brut eingenistet! Kein Wunder so, daß Frost ihnen ein Freund ist und kein Gegner. In Stasis weilten die Lebenden der Familie, und die Spitzzähne woben die Zauber weiter. Nun mag ich von keinem Band der Ehre oder der Achtung sprechen, die uns Mergenthaler mit den Rothenfangs verbinden.
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Vierzehnter Tag des Nebelung 32 nG
Bald ist wieder Sonnwendt und ein Jahr nähert sich dem Ende. Und obwohl das breite Volk den Sommer sehr gelitten hat, ist der Frieden unter den Türmen eingekehrt. Die Familien bewahren den Frieden, wenn auch wenige Worte gewechselt werden. Das Leid vor allem in Leuenstein, ist noch groß; Eich und Ehrenfeld hatten keine Ernte und ich glaube, diesen Winter werden viele erneut spüren, welcher Schrecken der letzte Winter ihnen gebracht hat. Man berichtet, vor allem vor den Türmen der Letzenhiebs häufen sich Aufrührler, die ein Ende der Familientradition fordern – manchmal dahergelaufene Zauberer, die sich so Macht versprechen, manchmal sicherlich leidendes Bauernvolk. Auch bei den Rothenfangs wird Ähnliches berichtet, dort fordert vor allem das hungrige Volk Ausgleich für die Ernteschäden. Freilich geschieht das alles recht zögerlich und vereinzelt; kein Pöbel wird es wagen, einen Turm offen zu attackieren.
Siebenzehnter Tag des Nebelung 32 nG
Graufuchs hat mich besucht und eine Magd zum Dienste hier gelassen. Er spricht wenig Neues und schweigt sich weiterhin beharrlich aus, wenn ich ihn nach dem Ratzenvolk in Zweigraten befrage. Wenigstens, so scheint es mir, ist ihm die Schar genauso unlieb wie mir – wenn sie ihm auch ohn Zweifel geholfen haben, als es gegen Letzenhiebs Plagenfürsten ging. Aber da man die Spitznasen seit Lenzing nicht mehr gesehen hat, möchte ich fast glauben, es war ein Spuk des Fuches, und er möchte nicht verraten, wie er es angestellt hat.
Einundreißigster Tag des Nebelung 32 nG
Die Magd, die Graufuchs mir gesendet hat, ist ebenso ungeschickt wie schweigsam. Kaum ein rechtes Blut für einen Mergenthal. Vielleicht findet sich einer der weiteren Verwandtschaft zu einer Hochzeit bereit. Mit so einem Ungeschick will ich unser reines Blut nicht mischen. Aber es ist ja sein Interesse, unsere Häuser enger zu binden, nicht das meinige. Soll er was Rechtes schicken, dann mag gefreit werden. Mir wird berichtet, das Meinertzhagen und Graufuchs oft sich treffen und lange palavern. Mir dünkt, da reden zwei Herren, die den Rothenfangs gerne was servieren mögen. Ich werde ein Schreiben schicken und den Fuchs zu Frieden mahnen.
Fünfzehnter Tag des Julmondes 32 nG
Nun, da der Winter mit großen Schritten ins Land einkehrt, werden die Häuser immer stärker unter Druck gesetzt. Mir liegt selbst ein Schreiben vor aus Leuenstein, in welchem die Familie zu Zahlungen aufgefordert wird, das "Unrecht, welches sich aus den unverantwortlichen Taten der Zauberei ergeben hat" durch Geldmittel auszugleichen. Frechheit! Nicht nur, daß mein Haus in der Not vielen Flüchtenden Obhut und Zehr gewährte, uns selbst trifft ja nicht die geringste Schuld an den Vorkommnissen! Unverständiger Pöbel, schimpft sich Adel und Sprecher des Volkes und weiß dennoch nicht, was er denn sprechen soll. Zur Sonnwende wird das unter den Häusern besprochen werden müssen.
Zweiundzwanzigster Tag des Julmondes, einer nach Sonnwend
Katastrophe! Übel und Tod wird über das Land einhergehen und keiner wird seines Lebens sicher sein! Nur mit Mühe konnten meine Familie und ich nach Eisenstein fliehen, hinter uns liegt Vernichtung. Und welche Schmach lastet auf den Häusern. Nicht recht begreifen vermag ich die Geschehnisse der letzten Nacht; ich kann nur hoffen, daß mein Unverständnis und meine Kurzsicht dem Hause nicht zum Verderben wird. Wer den Julfrieden zuerst brach, vermag ich nicht zu sagen. Bei der Versammlung der Hausvorderen brach Hammerstein urplötzlich zusammen und war tot. Schwärende Beulen und der blutige Schaum, der ihm aus Mund, Nase und Augen trat, sprechen für Letztenhieb. Das Triumphgeheul brach wohl im Lager der Rothenfangs aus und nicht wenige bleckten nun sichtbar die schrecklichen Hauer, ihr Erbe nicht länger verleugnend. Doch Meinertzhagen kann nicht ohne Arg gewesen sein, denn aus seinen Händen schoß der Lichterglanz zur gleichen Zeit gegen die erste Rothenfang, die sich kreischend bäumte. Danach verschwand die Sippe in züngelndem Dunkel, ohne Zweifel ein Weg nach Eichenau. Letzenhieb gebährte sich in seiner schrecklichen Gestalt und ging gegen mich und die Füchse. Ich wäre verloren, wenn nicht der Graufuchs offenbar geahnt hätte, was folgen müsse. Und nun weiß ich auch, welchen Handel die Zweigratener im letzten Winter gemacht haben. Das Alte Volk schoß aus den Schatten hervor und stellte sich schützend vor den Fuchs, die seinen und meinen. Der Odem des Schreckens aus der Letzenhiebs Rachen mochte sie nicht verdammen, und manch einer feixte und machte groteske Gesten gegen den alten Letzenhieb, der verfault und ausgedörrt sich offenbarte. Die Flucht durch das andere Reich liegt hinter einem Schleier, den ich in dieser Unruhe nicht zu lüften vermag – sicher ein Werk zum Schutze Graufuchs und seiner Verbündeten gegen Verrat.
Vierundzwanzigster Tag des Julmondes 32 nG
Schrecken über Schrecken. Graufuchs hat nach zwei Tagen Rast Eisenstein verlassen und ist gen Zweigraten gezogen, um sich in Hohenfels zurückzuziehen. Meinertzhagen hat sich gemeldet, er beteuert, für alles gewappnet zu sein – das will ich ihm wohl glauben, dennoch behagt mir der Gedanke nicht, in die Händel eingemischt zu werden. Doch wer den Julfrieden bricht, muß bestraft werden. Auch mein Haus wird sich etwas einfallen lassen, gegen Letzenhieb vorzugehen. Die Rothenfangs sollen mich nicht kümmern, mag der großmäulige Weidenauer da dreinschlagen.
Siebenundzwanzigster Tag des Julmondes 32 nG, erste Rauhnacht
Die Vorbereitungen für unser Ritual sind in vollem Gange und gehen sich recht gut an. Obschon ich die komplexeren Dinge niemandem überlassen kann, wirkt das ganze Haus eifrig mit – wäre der Anlaß kein so ernster, möge man direkt freudige Erwartung empfinden. Letzenhieb wird sich wundern, wenn seine üblichen Pläne der Fäulnis und des Verderbens nicht aufgehen werden...
Achtundzwanzigster Tag des Julmondes, zweite Rauhnacht
Schlechte Sterne stehen über uns. Meinertzhagen berichtet, seine bewährten Streiter wären in schreckliche Kämpfe in Eich verwickelt. Augenscheinlich hat die vampyrische Brut ein Mittel gefunden, gegen die Kolosse aus Eisen und Feuer unempfindlich zu werden. Er berichtet von großen Erdverwerfungen, die den Giganten die Sicht nehmen und die Glieder beim Laufen brechen. Aus Zweigraten hört man unheimliche Laute und schreckliche Schatten huschen über den Himmel. Ich vermag nicht zu sagen, ob dies ein gutes Zeichen für den Fuchs sei oder nicht. Schon bewegen sich Scharen von Fliehenden auf Eisenstein zu und weiter nach Falben. Dorthin entsenden wir sie, denn bald wird unser Schlag gen Süden gehen und den verdorrten Letzenhiebs einiges beibringen. Benden entsendet Bitten um Einhalt. Schwache Elben! Verstecken sich in ihren Nebeln und gehen nicht gegen den Bruch der alten Gesetze vor, wie es sich gehörte! Ich bin mir sicher, den Boten woanders wird es nicht so gut gehen wie dem in unserem Turm.
Dritter Tag des Hartung 33 nG, achte Rauhnacht
Heute mit Sonnenauf fand unser Werk sein schönes Ende: Seit Licht zieht die Herde von Einhörnern gegen Letzenhieb! Und welch nette Überraschung werden sie dem Alten bereiten! Sein ganzes Sammelsurium ekeliger Geschwüre und Kreaturen vermag den Lichtrössern nichts anzuhaben und sie werden gegen alles gehen, was finster ist! Zu meiner kurzen Trauer beobachte ich einige Fliehende, die dem Galopp der Rösser zum Opfer fielen. Aber wer jetzt noch in Bärenfels weilt, ist ohnehin des Todes. Durchziehende berichteten zitternd, daß von allen Bäumen grüner Mucus fließe und stinkende Nebelschwaden durch die Äcker ziehen. Letztenhieb will wieder allerlei Krankheit bringen, scheint mir. Meinertzhagen schreibt, seine Kolosse stünden in Eichenau und die Rothenfangs hätten sich nach Luhenburg und gen Leuenstein aufgemacht. Eichenau ist komplett zerstört und viele ausgesaugte Kadaver zeugen von den schrecklichen Dingen, welche die Brut vollbracht hat. Aus Zweigraten ist noch immer vielerlei Geheule zu hören – Letzenhieb muß auch gegen Nordosten gehen.
Neunter Tag des Hartung 33 nG
Betrug und Verrat! Dieser hinterhältige Graufuchs spielt mit unserem Haus wie mit Puppen! Schlimm genug, das seine Verbündeten im Alten Volk gut ein Drittel meiner Herde durch ihre Wilde Jagd zerstreuten, jetzt offenbart er mir, daß mein Haus die Rothenfang-Braut beherbergt! Die plumpe Magd ist ein durchaus begabtes Ding, gleichwohl unter dem schweren Schleier einer starken Bezauberung, Das mag ihre geringe Geschicklichkeit erklären – aber was soll das Spiel? Ich werde garselbst nach Hohenfels gehen und ihn zur Rede stellen. Eich gleicht einem von Riesen gepflügten Acker. Was nicht verbrannt ist, wurde verschüttet. In Ehrenfeld mag sich Gleiches bald ereignen, und Luhenburg steht unter Angriff. Allein Zweiwalden scheint friedlich, wenn auch Hunger und Not die vielen obdachlosen Flüchtlinge dort bedrohen. Falben und Weidenau sind bemerkenswert ruhig, da nicht viele Flüchtlinge durch die Reihen von Eisenkolossen und Einhörnern wanderten.
Vierzehnter Tag des Hartung 33 nG
Mit den Füchsen ist alles geklärt, wenn ich auch nicht in echtem Frieden mit dem Graufuchs bin. Die Rothenfang mußte die Türme der Grauen verlassen, weil das Alte Volk sonst nicht dort kampiert hätte – und der Gastgeber der Jagd zu sein, war wohl der beste Schutz vor Letztenhieb, den das Haus sich wünschen konnte. Nur gut, das die Rothenfangs nicht wissen, wer ihre geflohene Tochter nun beherbergt. Nun vermag sie mir als Faustpfand zu dienen, wenn es denn sein muß. In Zweigraten ist es recht still, weil Letztenhieb sich aus Angst vor dem noblen Volk noch nicht vorgewagt hat. Allerdings vermochte Graufuchs im Trubel des Rauhritts nicht, etwas Langfristigeres zu planen. Ich sehe dort baldigen Streit. In Bärenfels und Düsterfeld braut sich etwas zusammen. Man kann vom Drachensteiß aus viele Stellen im Dunkeln fahl leuchten sehen und der Turm im Bärensee sendet unablässig tiefes Klagen aus. Sicherlich ein Zeichen, das wir uns auf eine große Attacke vorzubereiten haben. Graufuchs spekuliert erneut stark auf die mächtige Hilfe der Alten. Mag er sich auf das wankelmütige Volk verlassen, ich bin nicht bereit, die hohen Preise für solche "Gefallen" zu zahlen.
Siebenzehnter Tag des Hartung 33 nG
Wir beginnen mit dem großen Werk, welches uns vor den Attacken der Plagenfürsten schützen wird. Die Vorbereitungen werden den besten Teil des Hartung andauern, aber noch hört man nicht von den Bärenfelsern.
Heute schlugen einige Ritter vor unserem Turm Lager auf, wohl, um für Frieden einzustehen. Keine Zeit für dieses Volk jetzt. Sollen sie nach Norden ziehen, da wird nicht gekämpft. Graufuchs scheint Erfolg mit seinen Verhandlungen zu haben, denn die gleichen Nebel wie letztes Jahr ziehen dort wieder auf. Ich glaube nicht, daß Hammerstein noch Leben hat. Leuenstein und Luhenburg sind fest in der Hand der Vampire. In Ehrenfeld ziehen die Kolosse von Meinertzhagen ihre Runden auf der Suche nach Gegnern. Wehe dem armen Volk, daß diesen Bestien nun begegnet...
Neunzehnter Tag des Hartung 33nG
Meinertzhagen beordert seine Streiter zurück vor Ehrenbreitstein. Ich konnte ihn nicht direkt fragen, was ihn zu diesem Verhalten bewogen hat, hoffe aber bald auf Nachricht von ihm. Die Ritter vor unseren Toren sind in Hast auf nach Süden, ohne weiteres Wort. In Gratenfels hat man wieder das Ratzenvolk gesichtet, das nunmehr recht offen durch die Felshänge streift. Graufuchs sagt, er wäre nicht verantwortlich für sie, aber solange sie seinem Ziel zuarbeiten, sollen sie ihm rechte sein. Ich hatte andere Kunde erhofft. Aber wenn sie mit gleichen Mitteln kämpfen wie die Plagenfürsten, dann wir unser Schild sie ebenso wehren...
Fünfter Tag des Hornung 33 nG
Unser leuchtender Schild ergleißt in prächtigem Schein! Tags wie nachts erhellt der Sternenregen die Grenzen unsere Gebiete. Meinertzhagen sendet Lob und berichtet von seiner Ansicht nach ebenso prächtigen eisernen Wällen voller Räderwerk und Feuer, die seine Lande schützen. So finden die üblen Häuser wohl keinen Weg nach Norden mehr, der ihnen nicht von mächtigem Zauber versperrt wäre, und im Süden schwebt der Nebel der Elben aus Benden und der Wald der Elfenvölker ist wie stets unberührt. Meinertzhagen hat nichts zu seinem Rückzug aus Eich gesagt, fällt mir da auf. Aber die Rothenfangs verlassen Luhenburg augenscheinlich nicht – in Leuenstein kämpft die Kirche tapfer gegen die Blutsauger an und verursacht wohl herbe Verluste in ihren Reihen. Dumm von den Rothenfangs, sich in der Nähe des Siegels niederzulassen...
Zwölfter Tag des Hornung 33 nG
Schlacht! Und welcher Schrecken tut sich vor unserem Auge auf! Meinertzhagen wird geahnt haben, was kommen mochte und dies war wohl der Grund für seinen Rückzug. Die Flucht der Rothenfangs gen Osten und das Harren der Letztenhiebs war überlegtes Tun, kein Angstgebahren. Die Mondnacht verdunkelte sich, als die furchtbaren Scharen schrecklicher Fledertiere und Vampire gegen Weidenau flogen! Die erdliebenden Kolosse der Meinertzhagen werden wenig Glück gegen diese Wolken des Verderbens haben. Es erfaßt mich ein gewisser Stolz, denn gegen den Sternenschauer können die Unholde nicht an. Doch in Gratenfels erheben sich die Plagenfürsten der Letztenhiebs mit ungeahnter Härte und keine Sterblicher lebt. Der Leu fließt rot und gelb vor Blut und Eiter und alles zu dem schrecklichen Turme der Finsterjünger hin.
Fünfzehnter Tag des Hornung 33 nG
Merkwürdiges Geschick! Der Erbe Hammerstein ist schwer leidend vor unseren Toren aufgetaucht und hat um Asyl gefleht. Er ist in Quarantäne, bis ich sicher bin, daß er nichts Schlimmes trägt. Die Rothenfang, noch immer unter dem schweren Bann des Grauen Fuchses, ahnt nichts.
Neunzehnter Tag des Hornung 33 nG
Die Plagenfürsten schlagen tiefe Breschen in das seltsame Ratzenvolk und verätzen selbst diese widernatürlichen Wesen mit ihrem Hauch. Der Bärensee ist nun schwarz vor Blut und Ausfluß. Hammerstein fleht, seine Geliebte sehen zu dürfen, doch die Zeit ist noch nicht reif. Der Sternenschauer ist noch gut, bald werden wir einen Angriff auf den dunklen Turm im See angehen. Meinertzhagen hält sich nur schlecht. Selbst seine ersten Diener fallen bereits. Ich mache mir Sorgen um das Haus und um die westliche Grenze meines Gebietes.
Vierundzwanzigster Tag des Hornung 33 nG
Endlich habe ich das rechte Ritual gefunden, mit dem wir gegen den Alten Letztenhieb streiten werden. Der Erbe Hammerstein soll mir zur Seite stehen, bevor er sein Liebchen sieht. Das soll mir der Lohn für die Gefahr ihrer Unterkunft sein.
Fünfter Tag des Lenzing 33 nG
Traurige Nachricht: Meinertzhagen ist tot. Das Haus ist in den Sümpfen über Ehrenbreitstein von den Vampiren der Rothenfangs komplett zerrieben worden. Die Kolosse haben ihnen nicht recht helfen wollen, da sie zu grobgeschlacht gegen die fixen Blutsauger sind. Die eiligen Vorbereitungen, um uns gegen die Flankenattacke im Westen zu schützen, wurden zugunsten des Angriffs auf den See unterlassen – denn die Vampire sind eiligst und geschlossen nach Südosten unterwegs, vielleicht, um den Letztenhiebs erneut beizustehen.
Elfter Tag des Lenzing 33 nG
Katastrophe! Die Rothenfangs nähern sich eilig unseren Türmen. Vor Hohenstein sind sie gesichtet worden, um schnell umzukehren und nun gegen uns zu ziehen! Das kann nur die Kunde gewesen sein, daß ihre Tochter bei mir ist. Der Graufuchs muß das Wort freigegeben haben, um sich selbst zu schützen, der feige Aasfresser! Das schöne Volk schützt ihn wohl weniger, als er sich hoffen mochte. Morgen muß die Lanze fliegen, damit noch Zeit ist, uns gegen die Vampire zu wappnen.
Zwölfter Tag des Lenzing 33 nG
Unglück! Von Westen nähern sich die Vampire und unter unserem Schauer erheben sich die Toten aus der Erde! Das muß ein gewaltiges Werk sein, was Letztenhieb da treibt, denn überall erheben sich die Toten aus den Gräbern und ziehen gegen uns! Graufuchs Barrieren wanken schon unter dem Ansturm der untoten Horden. Zehntausende müssen es sein, die in Güldenhain und Düsterfeld stehen! Die Lanze muß ich dem Hammerstein überlassen, ich muß den Westen schützen. Und ein gutes Werk muß mir da gelingen.
Vierzehnter Tag des Lenzing 33 nG
Trauer und Schrecken! Gestern machte ich einen schlechten Menschen aus mir, und rettete doch so mein Haus und meine Kinder. Der Bann gegen die Wolken der Blutsauger war zu schnell und schlicht, um zu halten – da habe ich die junge Rothenfang geholt, um sie als Pfand zu zeigen. Doch sie wollte aus dem Bann nicht erwachen, den der Fuchs über sie gelegt hatte, und da behalf ich mir mit der Macht der Liebe und brachte sie zu Hammerstein, der über dem anderen Ritual zu schaffen war. Sein flehendes Herz vermochte die Gebannte schnell zu erwecken und sie umarmten sich innig und waren ganz Freude. Ich schwöre, daß ich weinte, als ich sie ihm entriß – ich mußte ihn mit starkem Spruch zurückschlagen – und sie zu den Zinnen emporschleifte. Die Horde der kreischenden Rothenfangs war wenige Augenblicke entfernt und näherte sich in rauschendem Fluge. In ihrer Mitte die erste Rothenfang, glühenden Auges und mit geiferndem Rachen. Doch als die Tochter ich ihr in tosendem Stürmen drohend entgegenhielt, hielt sie nicht ein, sondern wollte ihrem Kind den Leib zerreißen, indem sie "Untreue" und "Ehrlosigkeit" beschwörte! Mit knapper Not entkam ich in die oberste Kammer – um dem Hammerstein ins Aug zu blicken! Schon hörte ich die scharrenden Krallen der Brut auf dem Dache, da wußte ich, nur ein Blutbann würde unser Haus noch retten. Den Hammerstein stieß ich hinterlistig die enge Treppe hinunter, wo er ohnmächtig hinfiel. Und als die erste Rothenfang vom Dache heruntersauste, die mächtigen Siegel mit gewaltigem Zauber brechend, stieß ich dem armen Mädchen den letzten Nagel in den Leib und machte den Bann perfekt. Mit dem zierlichen Mädchen auf dem Holzkreuz, die schrecklichen Wunden, die meine zitternden Hände weinend ihr gerissen hatten, trieb ich die Brut aus meinem Haus, von meinem Land. Der Wind entriß die letzten Tropfen aus dem weißen Leib und trieben sie in den Sturm, der Schar hinterher. Seitdem find keine Ruhe ich und blicke mit leergeweintem Auge den jungen Hammerstein an, den der Sinn verlassen hat, als auf dem Blutsiegel er die Geliebte sah.
Neunzehnter Tag des Lenzing 33 nG
Mit schwerem Haupt und zitternden Händen schreibe ich wie sinnlos Worte auf. Vor unseren Toren, in unseren Kellern, die stinkenden Scharen aus den Gräbern des Reiches. Keine Nachricht von Graufuchs oder irgendwem. Ein Gutteil meiner Leute ist tot oder schon krank. Das Volk ist zur Häfte bereits tot, ständig sterben mehr unter den Klauen des Fluches vom Bärensee. Mir allein fehlt die Kraft, das Ritual in der großen Halle zu vollbringen – und Hammerstein ist noch wahnsinnig. Keine Hoffnung. Ich will die Seiten eingraben, damit sie jemand finden möge, und alle warne, vor dem Wahnsinn, den wir vorhatten.